Vor fast genau zwei Jahren hörte ich das erste Mal vom Internat, und je mehr ich darüber erfuhr, desto größer wurde mein Wunsch, dort ebenfalls Zögling zu werden. Doch der Aufnahmeprozess war langwierig, und oft war ich kurz davor, einfach hinzuschmeißen. Die Gebühren schienen zu hoch, die Formulare zu umfangreich und manchmal erwischte ich mich bei dem Gedanken, dass mir bereits reichte, was ich über das Internat erfahren hatte. Doch ich hielt durch, besiegte meine Ängste und Vorurteile, und bekam zu guter Letzt die ersehnte Zusage, das Internat besuchen zu dürfen.
Dann stand ich endlich an einem grauen Wintertag vor diesem altehrwürdigen Gebäude, und nahm das letzte Mal all meinen Mut zusammen und schritt durch das Tor. Und es war, als würde ich in eine andere Welt abtauchen. Ich weiß noch genau, wie laut mein Herz schlug, als ich unter strenger Aufsicht meiner neuen Erzieher meine privaten Sachen auszog und abgab, als ich das erste Mal unter der großen Gemeinschaftsdusche stand, als ich zur Untersuchung zum Schularzt ging und als ich den Schlafsaal betrat, um meinen Spint einzuräumen. Alles war so aufregend. Und dann irgendwann saß ich endlich im Klassenzimmer unter meinen neuen Mitzöglingen - wir alle in diesen schicken Uniformen und mit diesem Leuchten in den Augen - und lauschte gespannt dem Direktor, wie er mit dem Rohrstock in der Hand Stundenpläne, Schulregeln und so viele andere Dinge erläuterte…
… und das restliche Schuljahr schien wie im Fluge zu vergehen. Manche reduzieren eine strenge Erziehung auf Hiebe und Schläge, aber das ist falsch. Die Struktur und die Regeln geben mir die Möglichkeit, ich selbst zu sein. Ich kann darauf vertrauen, dass die Erzieher mich auf dem rechten Weg halten, ohne mich zu überfordern. Dass sie mich mit Lob und Strafe fördern, um mich zu höheren Leistungen zu bringen. Dass sie auf mich ganz speziell eingehen, um mir neue Seiten an mir zu zeigen. Ich habe so vieles in dieser Zeit gelernt, auch über mich.
Am letzten Abend gab es dann ein großes Fest. Erzieher und Zöglinge, alle zusammen. Es wurden Spiele gespielt, ein üppiges Mahl zubereitet und – noch wichtiger – viel gelacht und gefeiert. Es waren wundervolle Stunden, und als die Hühner gackernd durch den Saal liefen, schlich ich mich hinaus in die Nacht. Noch nie habe ich mich so aufgenommen gefühlt, so verstanden und frei. Ich habe nie davon zu träumen gewagt, so eine Gemeinschaft zu finden. Und dann kam durch die Dunkelheit der Direktor persönlich auf mich zu, nahm mich in den Arm, und ich weinte dicke Tränen der Dankbarkeit.
Heute trage ich meine Uniform mit Stolz, sogar außerhalb des Internats. Die Hymne, wie unmotiviert ich sie auch manchmal beim Fahnenapell singe, ist fest irgendwo in meinem Gehirn gespeichert. Tiefe Freundschaften sind entstanden, zu meinen Mitzöglingen voller Kameradschaft und Offenheit, zu meinen Erziehern voller Respekt und Demut. Das Internat ist für mich so viel mehr als nur Erziehung, und heute kann ich das neue Schuljahr kaum erwarten, mit alten Bekannten, aber ja vielleicht auch mit Dir, wenn Du den Mut findest… ich würde mich freuen.
Martin (Klasse 7b)